Discussion:
h-s-Diagramm, Denkblockade
(zu alt für eine Antwort)
Heiner Veelken
2011-04-07 14:49:26 UTC
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Wenn man gesättigten Wasserdampf adiabat drosselt, sinkt sowohl
Temperatur als auch Druck. Dennoch ist die Drosselung adiabat.

Wer hilft uns eben bei unserer Denkblockade? Hängt das mit
Nichtrealgasverhalten von Sattdampf zusammen oder liegen wir völlig
falsch?
--
Gruss Heiner
Andreas Mattheiss
2011-04-10 18:51:56 UTC
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Hallo,

ich weiss nicht, ob ich Deine Frage jetzt richtig verstehe, aber: wenn Du
adiabat drosselst, dann läufst Du per definitionem im h,s-Diagramm
horizontal nach rechts (s.
Loading Image...&filetimestamp=20100405162857):
der Druck wird kleiner, die Entropie steigt, die (Total-)temperatur bleibt
konstant.

Oder meinst Du vielleicht den Verlauf der Sättigungskurve - der geht in
der Tat nach "rechts unten", also in den Bereich niedriger Druck
(Drosselung) und niedrigerer Temperatur. Das hat aber nichts mit einer
adiabaten Zustandsänderung zu tun.

mfg
Andreas
--
RIMMER: There's a simple test. (To the skeletons) All right, girls,
hands up, those of you who are alive.
Hans-Christian Grosz
2011-04-11 03:21:08 UTC
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Post by Andreas Mattheiss
ich weiss nicht, ob ich Deine Frage jetzt richtig verstehe, aber: wenn Du
adiabat drosselst, dann läufst Du per definitionem im h,s-Diagramm
horizontal nach rechts (s.
der Druck wird kleiner, die Entropie steigt, die (Total-)temperatur bleibt
konstant.
Ich bin zwar nicht der OP, aber mit Blick auf:
Loading Image...

Beginnt man wie vom OP beschrieben z.b. beim Zustand T=473K und X=100%
und drosselt adiabat, also "horizontal nach rechts", dann sinkt der
Druck ebenso wie die Temperatur, ganz rechts auf p=0.01bar und T
dürfte bei 400K liegen. Die Temperatur ist fast kontant, jedoch eben
nicht ganz, lt. Diagramm sinkt.

Die Erklärung würde mich ebenfalls interessieren :)

HC
Andreas Mattheiss
2011-04-11 16:59:57 UTC
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Hallo,

jetzt hab' ich's verstanden. Und mir auch einen Freudschen Fehlgucker
geleistet.

Der bestand darin, das T,S-Diagramm von Wasserdampf zu zitieren, und
nicht, wie es Hans-Christian richtig tat, das H,S-Diagramm. In *diesem*
Diagramm muss man für eine adiabate Drosselung horizontal nach rechts
gehen; die Enthalpie bleibt beim Drosseln konstant. Und die Temperatur?
Die nimmt ab! Warum? Nun, wie der OP ganz richtig vermutet hat, wegen der
Realgaseigenschaft von Wasserdampf. Seht euch die Isothermen einmal bei
niedrigen Drücken an, dort laufen sie horizontal, d.h. die Enthalpie ist
nur eine Funktion der Temperatur. Bei hohen Drücken hingegen ist die
Enthalpie noch zusätzlich eine Funktion des Druckes, was für die
allgemeine Zustandsgleichung eines (realen) Gases auch durchaus der Fall
sein darf. Für ein ideales Gas ist die Enthalpie aber nur eine Funktion
der Temperatur, und wie alle verdünnten Gase verhält sich auch
Wasserdampf bei niedrigen Drücken recht gut wie ein solches- *aber
nur da*.

Also: alles in Ordnung. Bei der Drosselung bleibt eben die Enthalpie
konstant, die Temperatur folgt der Zustandsgleichung. Für ideale Gas hat
die Temperatur kein "Schlupfloch" mehr, da ist sie allein an die
Temperatur gebunden, und "Enthalpie" und "Temperatur" werden quasi
synonym. Das war auch der Grund für meinen Lapsus, es mit T,S und H,S
nicht so eng zu sehen. Bei Dampf geht das aber, wie gesagt, i.A. nicht.

Alle Klarheiten beseitigt? Klasse.

mfg
Andreas
--
RIMMER: Umm... has anybody seen my legs? They don't appear to be below
my waist where I normally keep them.
Hans-Christian Grosz
2011-04-12 04:47:11 UTC
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Post by Andreas Mattheiss
Alle Klarheiten beseitigt? Klasse.
Das ist doch eine gute Erklärung, vielen Dank :)
HC
Heiner Veelken
2011-04-12 06:01:05 UTC
Permalink
Post by Andreas Mattheiss
Hallo,
jetzt hab' ich's verstanden. Und mir auch einen Freudschen Fehlgucker
geleistet.
Der bestand darin, das T,S-Diagramm von Wasserdampf zu zitieren, und
nicht, wie es Hans-Christian richtig tat, das H,S-Diagramm. In *diesem*
Diagramm muss man für eine adiabate Drosselung horizontal nach rechts
gehen; die Enthalpie bleibt beim Drosseln konstant. Und die Temperatur?
Die nimmt ab! Warum? Nun, wie der OP ganz richtig vermutet hat, wegen der
Realgaseigenschaft von Wasserdampf. Seht euch die Isothermen einmal bei
niedrigen Drücken an, dort laufen sie horizontal, d.h. die Enthalpie ist
nur eine Funktion der Temperatur. Bei hohen Drücken hingegen ist die
Enthalpie noch zusätzlich eine Funktion des Druckes, was für die
allgemeine Zustandsgleichung eines (realen) Gases auch durchaus der Fall
sein darf. Für ein ideales Gas ist die Enthalpie aber nur eine Funktion
der Temperatur, und wie alle verdünnten Gase verhält sich auch
Wasserdampf bei niedrigen Drücken recht gut wie ein solches- *aber
nur da*.
Also: alles in Ordnung. Bei der Drosselung bleibt eben die Enthalpie
konstant, die Temperatur folgt der Zustandsgleichung. Für ideale Gas hat
die Temperatur kein "Schlupfloch" mehr, da ist sie allein an die
Temperatur gebunden, und "Enthalpie" und "Temperatur" werden quasi
synonym. Das war auch der Grund für meinen Lapsus, es mit T,S und H,S
nicht so eng zu sehen. Bei Dampf geht das aber, wie gesagt, i.A. nicht.
Alle Klarheiten beseitigt? Klasse.
Ganz klar ist mir das noch nicht: Wenn der Druck bei adiabater
Drosselung abnehmen und die Temperatur steigen würde, dann könnte ich
jetzt mal schnell sagen:"Okay, das kan isenthalp sein."
Aber nein, Druck sinkt und Temperatur sinkt, das passt mir noch nicht
zusammen:-(
Wie ist der die thermodynamische Darstellung der Enthalpie eines realen
Gases?
Meine, vielleicht irrige Annahme besagt, dass die Enthalpie bei höheren
Drücken und bei höheren Temperaturen größer wird.
--
Gruss Heiner
Andreas Mattheiss
2011-04-12 19:14:11 UTC
Permalink
Hallo,
Ganz klar ist mir das noch nicht: Wenn der Druck bei adiabater Drosselung
kein Problem.
Wie ist der die thermodynamische Darstellung der Enthalpie eines realen
Gases?
Z.B. bei http://de.wikipedia.org/wiki/Zustandsgleichung, Abschn.
"kalorische Zustandsgleichung". Vergessen wir mal die Ableitungen nach der
Stoffmenge (d/dni); im Prinzip ist das nichts anderes als eben das totale
Differential für die Enthalpie:

dH = (dH/dT),p * dT + (dH/dp),T * dp

Die Indizes ",p" und ",T" bedeuten "bei gleichem Druck" bzw. Temperatur.
Das totale Differential besagt eigentlich nur, dass man eine beliebige
(kleine) Bewegung aufteilen kann in zwei Schritte in Richtung der
Koordinaten. Du kannst Dir ein Bild von den partiellen Ableitungen machen,
indem Du z.B. bei t=300°C, p=100 bar auf der Isobaren in Richtung 400°C
marschierst: sowohl dH als auch dT sind grösser als Null, also
(dH/dT),p>0. Gehst Du jetzt auf der Isothermen Richtung 600 bar, so ist
dH<0, also (dH/dp),T<0. Und das ist eben der Unterschied zum idealen Gas,
wo dieser Ausdruck gleich Null ist: mach' jetzt einfach das Gleiche bei
700°C/0.1 bar; auch dort ist (dH/dT),p>0, aber (dH/dp),T=0 - die
Isotherme verläuft ja waagerecht.
Meine, vielleicht irrige Annahme besagt, dass die Enthalpie bei höheren
Drücken und bei höheren Temperaturen größer wird.
Eben das ist das nicht richtig; wie eben gesehen gilt es bei einem
nicht - idealen Gas nur für die Temperatur.

Zusammengefasst, für die adiabate Drosselung von z.B. 523K und ~80 bar:
die Bewegung "horizontal nach rechts" musst Du aufteilen in eine längs
der 523K Isothermen, dort geht es in Richtung niedrigerer Drücke, d.h.
(dH/dp),T * dp > 0 (beide Faktoren sind negativ). Wenn jetzt dH gleich
Null sein soll, muss (dH/dT),p * dT logischerweise negativ sein: auf der
Isothermen bist Du jetzt beim Enddruck (z.B. 10 bar) angekommen, und musst
jetzt auf dieser Isobaren wieder auf Deine alte "Isenthalpe" absteigen.
Also es geht nach links unten, Richtung kleinerer Temperaturen (dT < 0),
und (dH/dT),p * dT ist tatsächlich negativ.

Nochmal: beim idealen Gas ist das alles wesentlich vertrauter, da wäre
dann dT = 0, weil ja dann (dH/dp),T immer gleich Null ist.

mfg
Andreas
--
CAT: An orange whirly thing in space!
LISTER: It's a time hole. That's where they are. We're goin' in.
CAT: Are you crazy? You can't go in there!
LISTER: Why not?
CAT: Orange?! With this suit?!
Stefan Lörchner
2011-04-14 03:19:59 UTC
Permalink
Post by Heiner Veelken
Wenn man gesättigten Wasserdampf adiabat drosselt, sinkt sowohl
Erklärt doch bitte einem armen Irren was Drosselung bedeutet. Was
passiert physikalisch und mit welchem Bauteil macht man das?
Heiner Veelken
2011-04-14 05:23:50 UTC
Permalink
Post by Stefan Lörchner
Post by Heiner Veelken
Wenn man gesättigten Wasserdampf adiabat drosselt, sinkt sowohl
Erklärt doch bitte einem armen Irren was Drosselung bedeutet. Was
passiert physikalisch und mit welchem Bauteil macht man das?
Auf dass man mich steinige möge, wenn's falsch ist:

Stell Dir vor du wolltest eine gewisse Menge Dampf von einem hohen
Druck- zu einem niedrigen Druckbehälter strömen lassen. Wenn Du beide
"einfach" mit einer Rohrleitung verbindest, ströme viel zu viel. Du
baust dennoch diese Rohrleitung, blockierst diese aber irgendwo mit
einer Scheibe. In diese Scheibe bohrst Du ein Loch einer gewissen
Grösse. Je größer dieses Loch ist, desto mehr Dampf wird wunschgemäß
strömen.
Der Effekt der jetzt auftritt ist der folgende (Halbwahrheiten, besser
mal irgendwo nachlesen:-) ): Der Dampf, der durch das Loch tritt, setzt
seine Druckhöhe in Geschwindigkeit um, mit der er das Loch durchtritt.
In der plötzlichen Erweiterung gibt es so viele Verwirbelungen, etc.,
dass der ursprüngliche Druck wieder aufgebaut wird.
Eine solche Drosselung heißt adiabat, weil keine Wärme mit der Umgebung
ausgetauscht wird.
Man könnte den Dampf auch in einer Turbine drosseln. Dann hätte man dem
dem Drosselungsprozess noch Leistung entnehmen können und hätte nachher
kälteren Dampf.
Weitere Anwendung für Drosselung: Stell Dir vor, Du willst eine
Dampfheizung bei 70°C betreiben, hast aber nur 10 bar Dampf, der bei
180°C kondensiert und seine Wärme abgibt. Diesen Dampf drosselst Du
jetzt auf 0,3 bara, bei diesem Druck kondensiert der Dampf bei eben
diesen 70°C.

Ich hoffe jetzt, dass Du "dieser arme Irre" warst:-)
--
Gruss Heiner
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