Discussion:
Schalldämpfer für Belüftung eines Musikstudios
(zu alt für eine Antwort)
Thomas 'tmo' Endt
vor 20 Jahren
Permalink
Hallo zusammen,

ich hab da ein kleines Problem:
ein Freund von mir möchte sich im Keller eines Mietshauses ein Musikstudio
einrichten (Raum-in-Raum, siehe Bild
Failed to load image: http://www.andism.de/schalldaempfer/raum-im-raum.jpg). Damit in diesem
Studio keiner wegen Sauerstoffmangel umkommt muß für Belüftung gesorgt
werden.

So weit, so gut, allerdings verträgt sich Lüftung nicht sonderlich gut mit
Schalldichtigkeit, weshalb er einfach mal aus dem Bauch heraus einen
Schalldämpfer gebaut (siehe
Failed to load image: http://www.andism.de/schalldaempfer/schalldaempfer.jpg) und einen
Radiallüfter bei ebay ersteigert hat (Kennlinie siehe Bild
Failed to load image: http://www.andism.de/schalldaempfer/luefterkennlinie.jpg).

Nun, da die Fakten geschaffen sind und es an den Bau des eigentlichen
Raumes geht (wenn der Raum erstmal gebaut ist kommt mein Freund nicht mehr
ans Kellerfenster in das der Schalldämpfer eingesetzt werden soll) stellt
sich die Frage: reicht der Lüfter bzgl. Förderdruck überhaupt aus? Ist der
Schalldämpfer vielleicht maßlos überdimensioniert (Anzahl der Umlenkungen)
bzw. sind die freien Querschnitte des Schalldämpfers aufgrund großzügigen
Einsatzes von Noppenschaumstoff (20mm dick) vielleicht maßlos
unterdimensioniert? Meine erste Einschätzung: nein / ja / ja

OK, also meine alten Bücher rausgekramt (Willi Bohl, Technische
Strömungslehre + Dubbel) und ein wenig gerechnet, wobei hier schnell das
Problem aufkam: welchen Rauhigkeitswert k nehme ich für den
Noppenschaumstoff an?

Etliche Annahmen später komme ich für den Schalldämpfer auf einen
Druckverlust von 0,0148Pa und für die geraden Kanalabschnitte von
Schalldämpfer zum Raum-im-Raum auf 3,25bar (gerechnet für 60m^3/h). Ha! Was
haben wir gelacht... IMHO beides Werte jenseits jeder Realität.

Da ich nun gerade keinen Versorgungstechnik-Ing. zur Hand habe der wirklich
Ahnung von Lüftungstechnik und den dort üblicherweise eingesetzten
Schalldämpfer hat und mein eingerostetes (maschinenbauliches) Wissen nicht
mehr ausreicht wende ich mich an dsim in der Hoffnung daß mir und meinem
Freund hier jemand weiterhelfen kann.

Hilfreich wäre
- komplette Berechnung des Druckverlustes von Schalldämpfer + Kanälen
vom/zum Raum :)
- Hinweise wie solch ein Schalldämpfer zu rechnen ist
- Angaben bzgl. k-Wert von Noppenschaum
- grobe Abschätzung / Erfahrungswerte ob der Lüfter in dieser Konfiguration
noch nennenswerten Volumenstrom bringt
- Schlagwörter für google-suche (Telefonieschalldämpfer brachte nur
Hinweise auf runde Schalldämpfer, keine Labyrinte)

Schonmal thx für sachdienliche Hinweise,

Thomas
Roland Damm
vor 20 Jahren
Permalink
Moin,
Post by Thomas 'tmo' Endt
ein Freund von mir möchte sich im Keller eines Mietshauses ein
Musikstudio einrichten (Raum-in-Raum, siehe Bild
http://www.andism.de/schalldaempfer/raum-im-raum.jpg). Damit in
diesem Studio keiner wegen Sauerstoffmangel umkommt muß für
Belüftung gesorgt werden.
Hatte vor einiger Zeit ein ähnliches Problem, wurde von einem
'Experten' gelöst. Und funktioniert.
Post by Thomas 'tmo' Endt
heraus einen Schalldämpfer gebaut (siehe
http://www.andism.de/schalldaempfer/schalldaempfer.jpg) und einen
Boh ey! Wattn Teil.
Post by Thomas 'tmo' Endt
Radiallüfter bei ebay ersteigert hat (Kennlinie siehe Bild
http://www.andism.de/schalldaempfer/luefterkennlinie.jpg).
Was hat der für eine Leitsung? Bei dem von mir miterlebten
Anwendungsfall hatte der verwendete Tangentiallüfter (!) 1kW.
Post by Thomas 'tmo' Endt
Nun, da die Fakten geschaffen sind und es an den Bau des
eigentlichen Raumes geht (wenn der Raum erstmal gebaut ist kommt
mein Freund nicht mehr ans Kellerfenster in das der Schalldämpfer
eingesetzt werden soll) stellt sich die Frage: reicht der Lüfter
bzgl. Förderdruck überhaupt aus?
IMO nein, bei dem Schalldämpfer bei weitem nicht.
Post by Thomas 'tmo' Endt
Ist der Schalldämpfer vielleicht
maßlos überdimensioniert (Anzahl der Umlenkungen) bzw. sind die
freien Querschnitte des Schalldämpfers aufgrund großzügigen
Einsatzes von Noppenschaumstoff (20mm dick) vielleicht maßlos
unterdimensioniert?
Jein, Ja. Dieser Schalldämpfer düfte nach meiner beschiedenen
Einschätzung genau den Schall nicht wegfiltern, der die Nachbarn am
meisten freut: Tiefe Frequenzen, E-Baß/Base.

Um tiefe Frequenzen wegzubekommen, braucht es ein Volumen, das die
Druckwelle aufnehmen kann. So ein Volumen hat dein Dämpfer (fast)
nicht. Das Einzige, was etwas diese Funktion übernimmt, sind die
Poren im Noppenschaumstoff. Ist der Noppenschaumstoff offenporig?
Eher nein, Dämmwatte wäre offenporig.

Dieses Labyrinth bringt dir den Nutzen, daß hochfrequenter Schall
viele Reflektionen erleidet, bevor er nach draußen kommt. Bei der
Konstruktion würde ich so schätzen runde 15 bis 20 Stück. Wenn jede
Reflektion 6dB schluckt, dann dämpft das Teil also mit runden
100dB. Ein astronomischer Wert, den der gesamte Rest deiner
Konstruktion eh nicht halten kann. Sprich würde der Dämpfer nur
halb so gut dämpfen, dann würde es für die Lautstärke keinen
meßbaren Unterschied machen, weil durch alle restlichen Wände
sowieso nur -50dB gedämpft werden.

Soweit aber noch so gut. Jetzt kommen die tiefen Frequenzen. Für die
ist dein Schalldämpfer einfach nur ein gerades Rohr. Die Bögen und
Umwege sind allesamt lächerlich klein verglichen mit der
Wellenlänge von 5m (da wo's Spaß macht). Sprich diese Absorption
durch Mehrfachreflektion fällt bei tiefen Frequenzen unter den
Tisch.

Aber den Nachteil der Konstruktion hast du schon teilweise erkannt:
der gigantische Strömungswiderstand. Übrigens, nicht so sehr die
Rauhigkeit und die engen Kanäle sind der Knackpunkt, sondern die
Winkel. Allein eine Umleitung des Luftstroms um 180° mach so viel
Strömungswiderstand aus, wie 5m gerader Kanal dieser Art (Mal so
aus dem Bauch heraus). Mit Rauhigkeit der Oberfläche brauchst du da
eigentlich gar ncith erst anfangen zu rechnen, diese Formeln haben
Unsicherheiten in der Größenordnung des Ergebnisses. Die von dir
berechneten 3bar halte ich für garnicht so abwegig.
Post by Thomas 'tmo' Endt
OK, also meine alten Bücher rausgekramt (Willi Bohl, Technische
Strömungslehre + Dubbel) und ein wenig gerechnet, wobei hier
schnell das Problem aufkam: welchen Rauhigkeitswert k nehme ich
für den Noppenschaumstoff an?
Wenn du es wirklich rechnen willst, ich dachte k sei das Verhältnis
aus Rauhtiefe zu Durchmesser. Durchmesser würde ich hier als die
Kanalbreite (4,5cm) ansetzen.
Post by Thomas 'tmo' Endt
Etliche Annahmen später komme ich für den Schalldämpfer auf einen
Druckverlust von 0,0148Pa und für die geraden Kanalabschnitte von
Schalldämpfer zum Raum-im-Raum auf 3,25bar (gerechnet für
60m^3/h). Ha! Was haben wir gelacht... IMHO beides Werte jenseits
jeder Realität.
Ach so, umgekehrt? Na dann kann etwas an der Rechnung nicht stimmen.
Der Druckverlust in einigermaßen geraden Rohren ist verschwindend
im Vergleich zu dem in den in den engen Kanälen und vorallem den
vielen Umleitungen.
Post by Thomas 'tmo' Endt
Hilfreich wäre
- komplette Berechnung des Druckverlustes von Schalldämpfer +
Kanälen vom/zum Raum :)
Kann ich nicht mit dienen, aber ich sage dir, derjenige der sagt,
der Druckverlust betrage soundsoviel +/- 10% der lügt:-).
Post by Thomas 'tmo' Endt
...
- Schlagwörter für google-suche (Telefonieschalldämpfer brachte
nur Hinweise auf runde Schalldämpfer, keine Labyrinte)
Woran das wohl liegt...

Nach meiner Erinnerung waren die Schalldämpfer, die ich damals
beobachten durfte eben genau so rund und verblüffend klein gebaut.
Konstruktion:

Lufttungsrohr D=60cm, Volumenstrom ~100qm/h (diese Zahl ist sehr
unsicher). Der Dämpfer war ~1.20m lang und hatte im Inneren einfach
nur ein gerades Rohr druchlaufen, garkein Labyrinth und IMO auch
keine Querschnittsveränderung. Die Funktion beruhte darauf, daß
dieses Rohr im Dämpfer perforiert war und außenherum dick mit
Dämmwatte eingepackt war. Dann außenherum noch mal ein Gehäuse
Größenordnung 2*Rohrdurchmesser.

Zur Funktion, Achtung, nach meiner Vermutung:

Im Dämpferrohr werden Druckwellen gedämpft, eben durch die
Teildurchlässige Wand (Lochblech mit Dämmwatte dahinter). Das
verändert die Schallgeschwindigkeit. Wir haben also ein Roh mit
gewisser Schallgeschwindigkeit, dann den Dämfper mit einer gewissen
Länge und einer anderen geringeren Schallgeschwindigieit und dann
hinter dem Dämfper wieder normales Rohr mit der ersten
Schallgeschwindigkeit. Am Beginn und am Ende des Dämpfers ändert
sich also die Schallgeschwindigkeit und es passiert das, wass immer
passiert wenn wellen durch verschiedene Medien unterschiedlicher
Brechzahl also Ausbreitungsgeschwindigkeit laufen, sie werden an
den Grenzfläche reflektiert. Ein Teil des Schalls läuft also direkt
durch den Dämpfer durch. Ein wieterer Teil wird an dem ersten
Übergang (=Anfang Dämpferrohr) reflektiert. Der Anteil stört nicht,
der wird zurück in den Raum geworfen. Ein Teil des Schalls wird an
der zweiten Grenzfläche reflektiert. Was von dem Schall wieder in
den Raum zurückläuft stört auch nicht. Aber von diesem Schall wird
ein Teil wieder an der ersten Grenzfläche richtung draußen
reflektiert. Was von dem Schall also nach draußen kommt,
interferiert mit dem Schall, der gleich von vornherein
durchgelassen wurde. Hat nun der Dämpfer die richtige Länge, dann
interferiert der Schall destruktiv, das passiert genau dann, wenn
diese beiden Anteile Lambda/2 Phasenverschiebung haben. Da der eine
Anteil zwei mal zusätzlich die Länge des Dämpfers durchlauf hat,
muß der Dämpfer also eine Länge von Lambda/4 haben, damit es zu
dieser Auslöschung kommt. Angenommen, 60Hz seinen die unterste
kritische Frequenz, dann sind das rund 5m Wellenlänge. Im Rohr,
vorallem im Dämpferrohr noch etwas weniger. 1/4 von 5m sind - siehe
da - rund 1,20m. So lang muß das Dämpferrohr sein.

Hohe Frequenzen werden übrigens schon vorher im Lüftungskanal
vielfach hin und her reflektiert, kommen in das Dämpferrohr also
garnicht axial herein. Sie werden also auch im Dämpfer reflektiert
(an den Wänden) und dabei teilweise geschluckt.

Und das alles mit einem Dämpfer, der im Ineren gar keinen echten
Engpaß oder ein Labyrinth hat! So denke ich, funktioniert's bei den
Profis.

Jetzt mal konstruktiv: Ich würde deine Kiste etwas ausräumen. Bau
meinetwegen ein Labyrinth rein, aber eines mit nicht mehr als einem
Knick. Also die Anzahl der Trennwände halbieren oder so.
Desweiteren baue mit Wolle gefüllte Bereiche hinein, die vom
eigendlichen Luftkanal durch eine teildurchlässige Wand getrennt
sind, Lochblech z.B..

In Umbau der vorhandenen Konstuktion:

| |
| B ---------|
| XXXXXXXXX|
| XXXXXXXXX|
| XXXXXXXXX|
| --ppp----|
| |
|----ppp-- |
|XXXXXXXXX |
|XXXXXXXXX |
|XXXXXXXXX |
|--------- A |
| |

X sind dann die Bereich, die lose füllen mit Dämmwatte ausgekleidet
sind (kein Noppenschaumstoff, der ist viel zu undurchlässig). Da wo
X an den leeren Raum grenzt, vieleicht mit Lochblech abtrennen. Da
wo p steht, vieleicht zusätzliche viele Bohrungen ins Brett machen,
um auch dort für einer Teildurchlässigkeit für Schall zu sorgen,
oder die Bretter komplett durch Lochblech ersetzen. Die Seitenwände
rechts und links kann man dann noch mit Noppenschaumstoff
verkleiden, aber nur, wenn ein gro0ßzpügiger Kanal freibleibt, 15cm
sollten schon sein.

So hast du immernoch ein Labyrinth mit wenigstens 4 Reflektionen für
den hochfrequenten Schall und großzügige Schallschlucker für die
Luftmengen der tiefen Töne.

Die Idee dabei ist auch, daß an den Stellen A und B jeweils
drastische Querschnittsänderungen passieren, die wie oben
beschrieben, den Schall teilweise reflektieren. Obendrein ist der
Bereich zwischen A und B erstens eng, zweitens dämpfend
ausgekleidet, was wiederum die Schallgeschwindigkeit in diesem
Kanal herabsetzt. Wenn du optimieren willst, dann zeichne die
kritischen Wellenlängen mal ein und versuche, ein Lambda/4-System
aufzubauen. Aber Achtung wegen der Wellenlänge: Nicht mit falschem
Ehrgeitz herangehen und 30Hz optimal dämpfen wollen. Selbst ein
E-Baß kommt nur auf 45Hz herunter, die Base ist auch gar nicth so
tief. Und dieser Frequenzfilter wirkt ja nicht nur bei seiner
Idealfrequenz, sondern auch noch mit einer gewissen Bandbreite bei
anderen benachbarten Frequenzen. Erst bei der Hälfte der
Abstimmungsfrequenz wird er so richtig drurchlässig. Also sie zu,
daß die Hälfte der Abstimmungsfrequenz gerade so tief ist, daß sie
nicht mehr vorkommt. Deshalb würde ich eben die 60Hz als
Rechengrundlage nehmen.

Und: Alle Angaben ohne Gewähr!!!!

CU Rollo
Thomas 'tmo' Endt
vor 20 Jahren
Permalink
"Roland Damm" <roland-***@arcor.de> schrub:
[...]

Roland!

Göttliche Antwort!
Genial ausführlich, verständlich, nachbaufähig.

Dickes DANKE dafür!


Da der Schalldämpfer sowie der Lüfter eh schon existierten wurde am
Wochenende mal kurzerhand ein praktischer Versuch gemacht anstatt
Fehlersuche beim Rechnen zu betreiben.

Ergebnis:
- Lüfter bringt im Druckbetrieb noch subjektiv ausreichend viel
Volumenstrom durch den Labyrinthschalldämpfer. Sogar soviel daß anzunehmen
ist daß das auch im kombininerten Saug-/Druckbetrieb geht (beides
gleichzeitig zu testen war nicht möglich bzw. zu aufwändig).

- Dämpfungseigenschaften im hochfrequenten Bereich hervorragend
- Dämpfungseigenschaften im niederfrequenten Bereich subjektiv nahe Null
(wie du auch schon richtig vermutet hattest)


Rohrschalldämpfer für die niedrigen Frequenzen ist gerade in Planung.


Ich bin gespannt, wann sich der erste Mieter beschwert... *eg*

Thx nochmal für die Hilfe, auch im Namen meines Freundes!

cu, Thomas

Loading...